133 Jahre Geschichte
Angefangen hat alles im Jahr 1883 mit dem ersten „Bibelkränzchen“. Was heute nach Kaffeeklatsch im Gemeindehaus klingt, war damals durchaus revolutionär: Junge Menschen hatten beschlossen, sich nicht damit zufrieden zu geben, wie christlicher Glaube in Schule und Kirche vermittelt wurde. Sie setzten sich selbst mit der Bibel auseinander, lasen, stritten und beteten nach ihren eigenen Vorstellungen. Als Gemeinschaft kritischer Christinnen und Christen, die es wagten, die Institution Kirche gegebenenfalls von innen zu kritisieren, waren diese Bibelkränzchen nicht gern gesehen und fanden häufig im Verborgenen statt. Trotzdem fanden sich immer wieder Schüler – und wenig später auch Schülerinnen – zusammen, die ihren Glauben jenseits von Religionsunterricht und ritualisiertem Gottesdienst lebten.
Diese Tradition der SchülerInnenarbeit entwickelte sich weiter – in neuem Gewande. Was vor hundert Jahren heimlich geschehen musste, hat in den 1960er Jahren einen institutionellen Rahmen gefunden. In fast allen evangelischen Landeskirchen entstand unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Schülerinnen- und Schülerarbeit in Deutschland e.V. (aes) ein Jugendverband, in dem sich junge Menschen Freiräume schafften, in denen sie selbstbestimmt jenseits von Lehrplänen ihre Vorstellung von Lernen leben konnten, sich über die gegebenen Realitäten hinaus für eine gerechtere Gesellschaft und eine gerechtere Kirche einsetzten. Damit gehörte Kritik an der SchülerInnenarbeit zu deren Alltag – und genauso zu ihrem Selbstverständnis.
Die 1969 von der Evangelischen Landeskirche Württemberg gegründete *ahs* (Arbeitsgemeinschaft Höhere Schule) verband u.a. die politischen Zweige der bisherigen Schülerbibelkreise und der Mädchenarbeit. Am 24.11.1981 wurde die ahs in der Synode der Landeskirche als kritische SchülerInnenarbeit aufgelöst, aber wenige Jahre später erstand sie wieder auf als Landeskirchliche Schülerinnen- und Schülerarbeit (LakiSa), die direkt im Landesjugendpfarramt angesiedelt war. Im Verlauf der folgenden 20 Jahre – mit allen Höhen und Tiefen – konnte sich die Arbeit von und mit kritischen Schülerinnen und Schülern als Teil der Kirche etablieren.
Doch dann erreichte der Sparzwang der Landeskirche auch die Jugendarbeit. Ein Beschluss der Landesynode von 2004 lautete, alle Jugendarbeit in der Landeskirche inklusive der Lakisa ins Evangelische Jugendwerk zu integrieren. Die Lakisa sollte mit der in den 1970er Jahren entstandenen “Schülerinnen- und Schülerarbeit im EJW” zusammengeführt werden. Trotz der Namensgleichung unterschieden sich die beiden SchülerInnenarbeiten deutlich in ihrer theologischen und pädagogischen Profilierung, sodass diese auf den ersten Blick organisatorische Maßnahme eine Zwangseingliederung der LakiSa ins EJW mit gleichzeitiger Reduzierung der personellen Ressourcen und weitgehender struktureller Einschränkung der vorhandenen Freiheiten und Rechte bedeutete. Mit der Ausgestaltung der Kooperation zweier unterschiedlicher SchülerInnenarbeiten unter einem gemeinsamen Dach setzte ein krisenhafter, zermürbender Prozess mit vielen Gesprächen, Schlichtungs- und Rettungsversuchen ein, an dessen Ende im Herbst 2010 sich die an der aktiven Schüler- und Schülerinnenarbeit beteiligten Jugendlichen nicht länger in der Lage sahen, unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Arbeit gemäß ihrer Zielvorstellungen angemessen fortzusetzen – sie stellten ihre Mitarbeit ein.
Der Verein zur Förderungen ev. Schülerinnen- und Schülerarbeit unterstützt nach dem schmerzhaften Scheitern der Integration der Schülerinnen- und Schülerarbeit in die Landesstelle des evangelischen Jugendwerks Projekte einer befreienden Jugendbildungspraxis im Geiste dieser Arbeit.